August 2021

Der Blick in das Sacellum von der Orgelempore.
Foto: BDA, Petra Laubenstein

Ein Sitzplatz für die Ewigkeit: Das Sacellum der Universität Salzburg

Mitten im Salzburger Festspielbezirk befindet sich ein leicht zu übersehender und nur wenigen bekannter kunsthistorischer Schatz: das Sacellum, die Hauskapelle der Salzburger Universität. Die soeben abgeschlossene Restaurierung der barocken Altäre und der Deckenmedaillons dieses wertvollen und für die Geschichte der Salzburger Universität bedeutenden zentralen Sakralraums ist mit ein Grund, das Sacellum als „Denkmal des Monats“ zu würdigen.

Die Keimzelle der Universität

Bereits unter Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau gab es erste Versuche zur Gründung einer Universität in Salzburg. Sein Nachfolger Markus Sittikus von Hohenems verhandelte erfolglos mit den Franziskanern, den Augustinern und den Jesuiten. Schließlich gelang es ihm, den Abt des Stifts St. Peter von der Gründung einer Hochschule zu überzeugen. Eine Konföderation mehrerer Benediktinerklöster aus Österreich, Deutschland und der Schweiz übernahm die Trägerschaft der Schule und entsandte erste Professoren nach Salzburg.

1618 legte Dompropst Paris von Lodron, später Fürsterzbischof, mit dem Bau des Sacellums den Grundstein zum Studiengebäude. Mit der Entscheidung, den Bau des monumentalen Studiengebäudes mit diesem Kirchenraum zu beginnen, war die Hoffnung auf den Segen Gottes für das gesamte Projekt verknüpft. 1622 wurde die Schule schließlich durch Kaiser Ferdinand II in den Rang einer Universität erhoben. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit Salzburgs wurde die Universität 1810 von der bayerischen Regierung geschlossen und erst 1962 durch den Österreichischen Nationalrat als staatliche Universität neu gegründet. 2022 kann Salzburg den 400. Jahrestag der Gründung und den sechzigsten der Neugründung seiner Universität feiern.

Die Universität wächst

In den von 1639 bis 1810 geführten Matrikelbüchern der Salzburger Universität finden sich die Namen von 32.210 Studenten – nach Leipzig und Wien war Salzburg die meistbesuchte Universität im deutschsprachigen Raum. „Die große geistesgeschichtliche Bedeutung bewies die Hohe Schule Salzburgs allein schon dadurch, daß aus ihr über vierhundert Bischöfe und Äbte hervorgingen.“ (Karl Heinz Ritschel, in: Salzburg, Anmut und Macht, 2005, S. 202).

Mit der steigenden Bedeutung der Salzburger Universität wurde das Sacellum jedoch bald zu klein: es wurde erweitert, mit neuen Altären ausgestattet, eine Gruft ausgehoben und die Kreuzkapelle angebaut. Ab 1696 wurde schließlich im Auftrag von Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun und Hohenstein nach Plänen Johann Bernhard Fischer von Erlachs die Kollegienkirche als neue Universitätskirche errichtet – ein Zeugnis der großen Bedeutung, die die Universität mittlerweile für Salzburg hatte.

Das Sacellum, die Keimzelle der Universität, wurde nach der Errichtung der Kollegienkirche nicht aufgegeben, sondern weiterhin als Sakralraum genutzt und weiterentwickelt. 1696 wurde es, wie die Inschrift am Hauptportal zur Hofstallgasse berichtet, der „Deutschen Kongregation“, einer studentischen Gebetsbruderschaft, übergeben.

Die Altäre im Sacellum

Die äußerst prunk- und qualitätsvolle Altarausstattung des Sacellums ist ein prägnantes Zeugnis für die Bedeutung dieses kleinen Sakralraumes.

Der Altar an der linken Seitenwand erzählt Kurioses aus dem Studentenleben der barocken Universität. Er ist dem hl. Thomas von Aquin, dem Patron der theologischen Fakultät, gewidmet. Das Altarbild zeigt eine Szene aus der Heiligenlegende: nachdem Thomas mit einem brennenden Holzscheit eine Prostituierte vertrieben hatte, die ihn verführen sollte, erscheinen ihm im Traum zwei Engel. Diese legen einen Strick mit fünfzehn Knoten um ihn. Die Mitglieder der seit 1653 an der Universität Salzburg etablierten Bruderschaft des Hl. Thomas von Aquin trugen einen ebensolchen Strick als Gürtel; die fünfzehn Knoten sollten die Studenten daran erinnern, täglich fünfzehn „Ave Maria“ zur Bewahrung ihrer Keuschheit zu beten.

Der rechte Seitenaltar, Altar einer Salzburger Kaufmannsbruderschaft, ist dem Hl. Florian, Patron gegen Schadfeuer, gewidmet. Als im Zuge der Restaurierung das Gemälde für eine Reinigung und Konservierung abgenommen wurde, kam auf der Rückseite eine unbekannte Inschrift zum Vorschein, die auf die Stiftung des Altars im Jahr 1730 durch Johann Anton Kaufmann und seine Ehefrau Maria Cordula hinwies.

Von herausragender künstlerischer Qualität ist der von Johann Baptist Hagenauer und seinem Bruder Wolfgang Hagenauer geschaffene Hauptaltar des Sacellum, dessen Errichtung 1768 von P. Placidus Scharl, Seelsorger und bedeutender Dramaturg am Universitätstheater, initiiert worden war. Der Altar ist ein hervorragendes Beispiel für ein barockes „Theatrum sacrum“: In einer wolkengefüllten Nische vor einem dramatischen, goldenen Strahlenkranz befindet sich, auf der vergoldeten Weltkugel stehend, um die sich eine Schlange windet, eine Madonnenskulptur. Über dem Bogen eine Hl.-Geist-Taube im Strahlenkranz, links und rechts zwei große, adorierende Engel. Prachtvolle, baldachinartige Stuckvorhänge hängen zwischen den Säulen. Vor der Restaurierung waren diese Vorhänge versilbert; eine Befundung brachte jedoch die bauzeitliche Farbgebung in kräftigem Rot und Blau zum Vorschein, die nun entsprechend Befund durch eine Überfassung wiederhergestellt wurde. Rechts und links vom Altar befinden sich zwei monumentale Holzskulpturen der Heiligen Karl Borromäus und Benedikt, die durch ihre Fassung wie Steinskulpturen wirken. Auf den Sockeln der Skulpturen finden sich vergoldete Bleireliefs mit Szenen aus dem Leben der beiden Heiligen.

Finanziert wurde der Hochaltar von Fürsterzbischof Sigismund Christoph von Schrattenbach, der einen besonders engen persönlichen Bezug zum Sacellum hatte. Auf seinen Wunsch hin wurde nach seinem Ableben sein Herz in einer silbernen Urne neben dem Altar aufgestellt und später unter einem heute stark abgetretenen Inschriftenstein direkt vor der Altarmensa beigesetzt.

Die Rosenkranzgeheimnisse

An der alten Salzburger Universität war die Marienverehrung besonders wichtig; alle Studierenden mussten einen Eid auf die Unbefleckte Empfängnis Mariens leisten. Eine besondere Rolle kam dem Rosenkranzgebet zu. Zeugnis der engen Beziehung der Universität zum Rosenkranz sind die Freskenmedaillons am Gewölbe des Sacellum: hier sind, in drei Gruppen mit je fünf Medaillons, in stilisierten Lorbeerkränzen und Rollwerkrahmen, die „freudenreichen“, „schmerzhaften“ und „glorreichen“ Mysterien des Rosenkranzes dargestellt. Für die Gestaltung der Rosenkranzmedaillons griffen die unbekannten Künstler*innen auf berühmte barocke Meisterwerke zurück, die damals als Kupferstiche weite Verbreitung gefunden hatten: die Medaillons im Sacellum sind teilweise direkte Zitate von Werken bedeutender Künstler wie z.B. Veronese, Van Dyck, Von Aachen oder Rubens. Durch die behutsame Reinigung, Konservierung und Restaurierung haben die Medaillons ihre alte Leuchtkraft zurückerhalten, die rezenten Überfassungen auf den Rahmen wurden abgenommen und die entstehungszeitliche Fassung wiederhergestellt, die Rahmen schimmern wieder golden.

Die Sitzgruft

Direkt unter dem Sacellum befindet sich mit der Sitzgruft eine kulturgeschichtliche Kuriosität. Im Herbst 2013 wurde die ungewöhnliche Krypta geöffnet und in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt erstmals wissenschaftlich untersucht (siehe dazu: Christoph Brandhuber und Ursula Schachl-Raber (hg.), Gymnasium Mortis. Das Sacellum der Universität zu Salzburg und seine Sitzgruft, 2014).

Ab 1664 wurden hier, auf gemauerten Bänken in einzelnen Grabkammern, zwölf Professoren mit Blick zum Hochaltar sitzend bestattet. Mit Hilfe von Kamerasonden konnten die Wissenschaftler:innen einen Blick in die Grabkammern werfen: Ein Stützbalken zwischen Brust und Mauerwerk sollte die Toten in Sitzhaltung fixieren. Nach mehreren Jahrhunderten war das Knochengerüst zusammengefallen, teilweise fanden sich aber noch Reste von Kleidung. Ab dem frühen 18. Jahrhundert wurden die Professoren in einer Kolumbariengruft in der neuen Kollegienkirche bestattet, die kuriose Sitzgruft im Sacellum geriet langsam in Vergessenheit. 1722 wurde mit dem weltlichen Rechtsprofessor Joseph Adam Ayblinger der letzte Tote in der Sitzgruft – wortwörtlich – beigesetzt.

Heute wird das Sacellum von der Katholischen Hochschulgemeinde Salzburg als Sakralraum genutzt. Das ehemalige Oratorium gehört zu den Räumen der Universitätsbibliothek und bietet Leserinnen und Lesern einen Blick in diesen für Salzburg und seine Universität so bedeutsamen Raum.