Juli 2022

Figurengruppe
Foto: Bundesdenkmalamt, Foto: Irene Hofer

Ein Gefallenendenkmal der Zwischenkriegszeit aus Innsbruck (Tirol)

Die in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Denkmalpflege gerückten Betonbauten und Betonskulpturen der Zwischenkriegszeit und der Nachkriegsmoderne erfordern auch aus konservatorischer Sicht eine Befassung mit einem fachgerechten Erhalt von Sichtbetonoberflächen.

Bei Musterrestaurierungen an ausgewählten Objekten wurde der Schwerpunkt somit auf den Erhalt und das authentische Erscheinungsbild einer gealterten Betonoberfläche gelegt. Die Erkenntnisse dieser Projekte bilden Grundlage für weitere Restaurierungen, die in den kommenden Jahren unter anderem an den Bauten des so genannten Brutalismus angewandt werden sollen.

Ein Beispiel für eine dieser Musterrestaurierungen ist die so genannte „Männerpieta“, ein in der Zwischenkriegszeit geschaffenes Gefallenendenkmal aus Innsbruck.

Bildhauer Professor Eduard Föderl sollte 1937 im Auftrag der Stadtgemeinde Wien eine Skulptur für die Stadt Budapest im Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges anfertigen. Zu einer Übergabe der kurz vor dem Anschluss an Hitlerdeutschland fertig gestellten Skulptur kam es jedoch nicht mehr. Erst 1949 tauchte die Figur bei der ersten Ausstellung des Künstlerhauses in Wien wieder auf und wurde dort als überholtes und problematisches Kulturgut von der Presse massiv kritisiert. 1953 schenkte der Staat Österreich die Plastik der Stadt Innsbruck, die beim Soldatenfriedhof Amras aufgestellt wurde. Aufgrund von Beschädigungen wurde das Denkmal um 2000 auf den Bauhof der Stadt Innsbruck gebracht und verfiel dort zusehends.

Aufgrund seiner Schadensbilder und seines Erhaltungszustandes wurde die rund fünf Tonnen wiegende Skulptur ab 2020 in das eingangs bereits erwähnte Forschungsprojekt der Sichtbetonsanierung aufgenommen um anhand von Modell- und Musterrestaurierungen unterschiedliche Möglichkeiten bei der Erstellung des Restaurierkonzepts zu erarbeiten und zu testen.

Bildhauer Eduard Föderl, der auch als Restaurator arbeitete und nach 1953 in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamtes beschäftigt war, schuf mit der aus heutiger Sicht erklärungsbedürftigen heroischen und pseudoreligiösen Formensprache ein imposantes, aber auch diskurswürdiges Werk. Mit der hier angewandten Stampfgusstechnik, bei der die Negativform aus zahlreichen einzelnen Formelementen zusammengesetzt wird, kann mit ausreichender mechanischer Verdichtung und einer geeigneten eher trockenen Betonmasse ein widerstandsfähiger „Kunststein“ erschaffen werden. Die bildhauerisch geformte Betonsubstanz und die bewusst gestaltete Gusshaut ermöglichen eine künstlerische inhaltliche Darstellung und eine bewusste Oberflächenerscheinung. Im Gegensatz zur Betonsubstanz, kann sich der Oberflächenduktus der Betonoberfläche ändern.

Vor allem ab dem Ende des 19. Jahrhundert entstanden in der Folge serielle, aber auch individuell gefertigte dreidimensionale Kunstwerke. Die Formensprache spannte sich dabei von der klassischen Darstellung bis zur Moderne. Das Material Beton erlaubte die Umsetzung von herkömmlichen Formen ebenso wie von schwierigen, nahezu unmöglichen Gebilden. Die dafür notwendigen Anforderungen an den Beton ließen sich mitunter nur mit ausreichenden Eisenbewehrungen und Zusatzstoffen erfüllen.

Im Zusammenwirken von Expert:innen aus den Bereichen Steinrestaurierung, Statik, Naturwissenschaften, Betonprodukterzeugern und anderen konnten für diese Figur spezielle Arbeitssschritte mittels Feinstrahlreinigung, geeigneter Vegetationsbehandlung und Kompressenreinigung festgelegt werden. 

Die Freilegung der rostenden Eisen und die nachfolgende Bewehrungsstahlbehandlung entschärft künftig Rostsprengungen nachhaltig. Auch der Einsatz von Korrosionsinhibitoren unterstützt künftig die Haltbarkeit der Betonsubstanz. Fehlstellenschließung und angepasste Oberflächenberuhigung mit speziell angepassten Betonergänzungsmassen ermöglichten notwendige Formschließungen und haben in Kombination mit speziellen Armierungen statische Schwachstellen behoben.

Die an vielen Oberflächenbereichen verlorene Gusshaut wurde nicht rekonstruiert. Lediglich an jenen Bereichen, wo  größere Vertiefungen im Beton entstanden sind, wurden diese geschlossen um der Witterung keine Angriffspunkte zu ermöglichen. Auf eine zusätzliche Beschichtung wurde vorerst verzichtet, da mit ausreichender Pflege vor Ort die Nachhaltigkeit dieser Restaurierung auch gewährleistet werden kann.

Damit geht auch eine selbstverständliche Authentizität der Substanz und der Oberflächenerscheinung einher, die als denkmalgerecht bezeichnet werden kann und der Skulptur einen Schutz für das nächste Jahrhundert bietet. Die Arbeiten wurden vom Restauratoren:innen-Team Monte Wienerberger und Lisa Fischer durchgeführt.

Die ursprüngliche Hoffnung, mit Beton ein „ewiges Material“ erschaffen zu können, erwies sich leider nicht immer als zutreffend. Schon nach wenigen Jahrzehnten wiesen viele Betonobjekte im Freien infolge von Witterung, Klimaeinflüssen, ungünstig rezeptierten Betonmischungen und rostenden Armierungseisen substanzielle Schäden auf. Und so verschwanden schon kurz nach ihrer Entstehung die ersten Betonskulpturen wieder oder stellten nahezu unlösbare Restaurierungsherausforderungen dar. Ähnliches hätte auch dieser Männerpieta widerfahren können, wäre der Stampfguss nicht in dieser erlesenen Qualität ausgeführt worden.