Dachkataster Wien - Innere Stadt

Ein Projekt des Bundesdenkmalamtes im Auftrag der Stadt Wien und des Bundeskanzleramtes.

Plan

Die Wiener Dachlandschaft birgt einen bisher ungehobenen Schatz an jahrhundertealten Holzkonstruktionen. Dieser Bestand hat sich in den letzten Jahrzehnten besonders stark verändert. Aus einer geschlossenen historischen Textur hat sich ein heterogenes, von zeitgenössischen Eingriffen überformtes Ensemble von Dächern entwickelt. Aus diesem Grunde startete das Bundesdenkmalamt zusammen mit der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt das Forschungsvorhaben, die historischen Dachkonstruktionen des Ersten Bezirks im Laufe der Jahre 2016 und 2017 zu erheben und zu bewerten.

Der Dachkataster erfasst die rund 1400 Objekte der Wiener Innenstadt in Baualter, Konstruktion und Ausbauzustand. Die Inventarisation wird vertieft durch die wissenschaftliche Untersuchung von 90 Einzelobjekten. Dabei stehen vor allem die Dächer des Wiener Bürgerhauses im Vordergrund, welche seit Jahren einen enormen Nutzungsdruck erfahren und von Verlust bedroht sind.

Das Forschungsvorhaben erfolgt in vier Projektabschnitten

1. Abschnitt: Grundlagenermittlung

In der ersten Phase wurden alle Dachwerke einer vorläufigen Datierung unterzogen. Dies geschah auf der Basis von Denkmalinventaren sowie Archivquellen des Bundesdenkmalamtes. Im Planarchiv fanden sich für rund 200 Objekte Darstellungen von Dachkonstruktionen. Aus dem Fotoarchiv waren vor allem historische Dachaufsichten und Maßaufnahmen sowie die Dokumentation von Kriegsschäden hilfreich. Das Aktenarchiv lieferte Informationen zu Maßnahmen an den einzelnen Objekten seit Beginn der staatlichen Denkmalpflege 1850.

2. Abschnitt: Objektaufnahme

Die zweite Phase der Untersuchung umfasste die systematische Vermessung, Fotodokumentation, technische Beschreibung und dendrochronologische Bestimmung von ausgewählten Einzelobjekten. Auf der Grundlage der Dächerkartierung wurden hierfür 90 Dachwerke ausgesucht, die möglichst unveränderte Konstruktionen und einen guten Querschnitt durch die Epochen repräsentierten. Je Objekt sind durchschnittlich zwei Systemaufnahmen durchgeführt worden, womit in Summe 180 Dachkonstruktionen vorliegen. Die Aufnahmen erfolgten mittels Vorlageblättern, welche die Darstellungsart und Dateneingabe genau festlegten und in Folge als Grundlage für die systematische Auswertung des Katalogs dienen.

3. Abschnitt: Auswertung

Auf Basis der ersten Gesamterhebung und der detaillierten Objektaufnahmen widmete sich die dritte Phase der typologischen Einordnung der Dachtragwerke und der Rekonstruktion ihrer Entwicklungsgeschichte. Dafür musste das Inventar der Konstruktionen um die Dachwerke der wichtigsten Kirchen des Ersten Bezirks ergänzt werden, denn dort fanden die technischen Innovationen in der Regel zuerst statt. Auf Initiative von Bundesdenkmalamt und Universität für Bodenkultur konnten 2018 viele der mächtigen Dächer dokumentiert und erstmals datiert werden.

4. Abschnitt: Publikation

Die umfassenden Erkenntnisse zu den Wiener Dachwerken wurden im Herbst 2018 in einem wissenschaftlichen Symposium im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres vorgestellt und mit über 100 ForscherInnen aus Österreich, Deutschland, Tschechien und der Schweiz diskutiert. Bisher liegen mehrere Fachartikel vor, die einen ersten Überblick zu den Ergebnissen geben oder spezielle Fragestellungen behandeln. Seit 2019 wurde an einer Gesamtpublikation zu den Dachwerken gearbeitet.

Erfolgreicher Projektabschluss und umfassende Publikation über die „Dachwerke der Wiener Innenstadt“

Gruppenfoto
von links nach rechts: Hanna A. Liebich (BDA), Georg Kolmayr (MA 19), Präsident Christoph Bazil (BDA-Präsident), Beatrix Hoche-Donaubauer (BDA), Friedrich Dahm (BDA), Bürgermeister Michael Ludwig, Georg Fellner (MA 50), Franz Kobermaier (MA 19), Elisabeth Wächter (BOKU), Michael Grabner (BOKU), Robert Saul (MA 01)

Im August 2021 konnte das mehrjährige Dachkataster-Projekt mit der wissenschaftlichen Publikation "Dachwerke der Wiener Innenstadt. Konstruktion - Typologie - Bestand." abgeschlossen werden. Das 460 Seiten starke Buch macht die zahlreichen Ergebnisse der Forschungen nun für Fachleute und Interessierte zugänglich. Es präsentiert erstmals die Geschichte der Dachtragwerke und eröffnet einen neuen Blick auf die Bauten des historischen Zentrums von Wien.

Im Laufe von fünf Jahren wurde der Dächerbestand der Wiener Innenstadt kartiert und eine Auswahl repräsentativer Dachwerke detailliert untersucht. In 78 Gebäuden sind insgesamt 205 Dachwerke zeichnerisch und fotografisch aufgenommen und dendrochronologisch datiert worden. Darunter befinden sich auch einige Dachstühle bedeutender Kirchenbauten, die noch nie dokumentiert wurden. Anhand der systematischen Aufnahmen konnte die typologische und konstruktive Entwicklungsgeschichte der Dachtragwerke in Wien über sieben Jahrhunderte nachgezeichnet werden.

Neben den bautechnischen Analysen liefert die Publikation Fakten zum Alter und Zustand des überlieferten Dächerbestand, zu den Formen und verschwundenen Deckungen der Dachlandschaft, zum Zimmererhandwerk und zur Holzbeschaffung im historischen Wien. Bei zahlreichen Bauten sind zudem über die Untersuchung der Dachwerke neue Erkenntnisse für deren Baugeschichte zu Tage befördert worden.

Mit den zahlreichen Grafiken, Diagrammen und Übersichten bietet das Buch verschiedene Möglichkeiten zur Einordnung und Bewertung der historischen Dächer und füllt damit ein langjähriges Desiderat in der Denkmalpflege, Bauforschung und Stadtgeschichte.

 

Publikation

Dachwerke der Wiener Innenstadt. Konstruktion - Typologie - Bestand.

Der vierte Band der Publikationsreihe „Österreichische Denkmaltopographie“ stellt einen wichtigen Pionierschritt in der Erfassung der historischen Dachstühle von Wien dar.

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